Heruntergekommener Bahnhof

Brave Neo. Das nannte man Geschwisterliebe. Er war ihr auch dankbar dafür.
Sehr dankbar.
Trotz seiner Verzweiflung hielt er sein Versprechen und unternahm jede Woche etwas mit ihr.
Dann überrasch ihn mal, Neo.

Sie kam mit einem schreienden Bündel an.
Das Baby war noch an ein Beatmungsgerät angeschlossen, hatte dafür aber ein recht lautes Organ.
Sauber war es auch noch nicht ganz und so klebte noch etwas Blut und Schleim an ihm.
Vorsichtig wurde das Baby neben ihm aufs Bett gelegt.
"Gerade vor fünf Minuten auf die Welt bekommen. Ich hab mir gedacht, dass du es vielleicht gleich sehen willst."

Er warf nicht einmal einen Blick darauf.
"Warum sollte ich?"

"Tja, da Rees nicht mehr da ist, ist es jetzt deines", meinte sie und strich dem Baby über die Wange.
"Hab dich nicht so Cain. Du bist jetzt sein Papa und es ist etwas was dir Rees hinterlassen hat. Seh es als Geschenk."
Immerhin sah es nicht so aus als würde Rees je wieder "aufwachen".

Er knurrte leise auf ihre Worte hin.
Sie sollte nicht immer so tun, als gäbe es Rees schon nicht mehr!

Das Baby schrie aus Leibeskräften.
"Jetzt sei doch nicht gleich so unfreudlich."
Sie nahm das Neugeborene und legte es einfach ganz frech auf Cains Brust.
Dann legte sie sich neben ihn auf das Bett.
Sofort war das Baby still und gab nur noch ein leises Wimmern von sich.
Immerhin war Cain sein erster echter Körperkontakt. Nichtmal seiner Leihmutter war es auf die Brust gelegt worden.
Hellblaue Babyaugen leuchteten ihn an.

Er seufzte genervt auf.
"Ja, ist ja gut. Ich habs kapiert, ich pass drauf auf."

Sie kuschelte sich an seine Seite und legte einen Arm um ihn.
"Hehe, jetzt können wir Vater MUtter Kind spielen. Ich will der Vater sein!", Er bak wie so oft einen Kuss auf die Backe.

Er murrte leise.
"Vergiss es, du bist die Tante."

Sie pluserte die Backen auf.
"Du bist so langweilig!"
Schnell stand sie wieder auf.
"Ich arbeite jetzt noch etwas in den Laboren, ja? Ersatzmilch findest du in der Küche. Kühlschrank, unterstes Fach.

"Jap.", seufzte er.
"Ich weiß."

"Gut."
Sie tapte aus dem Zimmer.
Das Baby wimmerte immer noch.

Er blieb noch eine Weile liegen, ehe er sich aufraffte und hinunter in die Küche ging, um dem Kind etwas zu essen zu geben.
Hatte sicher hunger.

Es trank auch ganz fleißig und machte sein Bäuerchen.
Dann fielen im aber schon wieder die Augen zu. Auch ein Kaiserschnitt war anstrengend.
Zum Glück war es ein sehr sehr ruhiges Kind. Weinte nur, wenn es ernsthaft Bedürfnisse hatte und ließ Cain auch Nachts ein paar Stunden am Stück schlafen.

Was für ein einfaches Kind! Damit konnte sich sogar Cain anfreunden!
Anfangs hielt er zwar noch immer Abstand zu dem Baby, aber nach ein paar Tagen durfte es auch auf ihm schlafen.
Es könnte ja immerhin jemand Rees' Kind klauen!

Sobald die kleine Dame das durfte, konnte Cain Nachts ganz durchschlafen.
Nur ab und zu wurde Nachts nach seinen Fingern gegriffen und sie sich in dem Mund zu stecken, wenn er schlief.
Doch das Beatmungsgrät blieb.

Und Cain fing sogar mal an, zu überlegen, wie sie denn heißen sollte.
Aber Männer und Namen...

Dann überleg dir was schönes Cain.
Babys wuchsen schnell und man musste viel mit ihnen reden.

Ja, er fand sogar was.
Vielleicht nicht ganz so perfekt - Männer und Namen - aber er dachte sich, dass es Rees vielleicht auch gefiel.

Das Baby neben ihm nießte einmal und erschrack sich dann vor sich selbt.
Schon weinte es.
Im selben Moment kam auch Neo herein.
"Cain?"

Müde strich er ihm beruhigend über den Rücken.
"Hm?"

"Hast du Lust etwas mit spazieren zu gehen?"

Eigentlich nicht...aber für Neo..schon.
"Okay.", meinte er und quälte sich aus dem Bett.

Sobald Cain aus dem Bett war, weinte die Kleine wieder.
Sie war heute einfach noch etwas müde und nicht gut drauf.
"Ich lass uns einen Picknickkorb herrichten, ja?"

Er rieb sich über den Nacken.
"Du hast nicht zufällig was für sie zum anziehen?"

Jetzt grinste sie.
"Doch...schon..."

Er starrte sie trotzig an.
"Dann gibs her."

Sie reichte ihm ein kitschiges Rüschchenkleid.
Ja, sowas fand sie süß.
Unpraktisch, minimale Bewehungsfreiheit und süß!

Er verzog das Gesicht.
"Darin kann sie sich ja gar nicht bewegen.", beschwerte er sich, seufzte aber und zog das Mädchen an.
"Wohin willst du?"

"An einen See oder ans Meer. Ich will auch ein bisschen Baden."