Heruntergekommener Bahnhof

"Danke."

"Irgendetwas muss ich ja auch an mir haben.", grinste er.

"Kannst du auch dazu singen?"

"Du hast viel an dir."
Wieder wurde er gemustert, ehe sie seufzte und einen kurzen Blick zum Fenster warf.

"Ja."
Er fing wieder an zu spielen, füllte die Melodie nun aber mit Wörtern.

"Nein."

Und Rees genoss es sehr.
Wunderschön und vertraut.
"Vergiss den Pfleger und den Koch! Du musst UNBEDINGT Musiker werden!", meinte er auch aufgeregt, als das Lied zuende war.

"Doch, du willst es nur nicht wahr haben."

"Nein, lieber nicht. Es gibt da jemanden, der mir sehr wichtig ist. Und ich glaube, diesem jemand wird es nicht gefallen, wenn ich berühmt werde.", schmunzelte er.

"Was denn genau, Madlen? Dass ich ein rücksichtsloses Monster bin?"

"Jemand der dir sehr wichtig ist? Hast du eine Freundin? Wäre die dann eifersüchtig?"

"Nicht immer, nicht zu jedem..."
Sie sah ihn wieder an.
"Du hast viele Gesichter, jedes sitz auf einer Ebene. Welches Gesicht dein Gegenüber zu sehen bekommt hängt davon ab, auch welche dieser Ebenen zu ihn verbannst. Es reicht vom liebenden Vater, bis eiskalten Clanführer. Vermutlich sogar weit darüber hinaus. Manche haben Glück, andere keines. Manche kennen deine verschiedenen Gesichter, manche erleben nur eines und schätzen dich danach ein."
Blinzeln.
"Aber trotz der Ebenen und all deinen Gesichtern, denke ich zwar, dass du ein starker Dämon bist, aber auch genau so verletzlich. Viel eher: Du bist schon verletzt. Schwer. Du leidest. Jeden Tag. Sekunde um Sekunde. Und genau so schrecklich wie dieser Schmerz ist, genau so viel Angst hast du auch. Angst wie Castiel, nur anders. Reifere Angst. Aber du wirst meine Worte bestreiten, weil du dir selbst deine Schwäche nicht eingestehen kannst. Du wirst spöttisch darüber grinsen und Abstand suchen, aber meine Gedanken werden bleiben."

"Ich hab keine Freundin. Wie könnte ich sonst den ganzen Tag über hier sein?"

Seine Finger strichen über ihr Gesicht, fuhren die Konturen nach.
"Wir tragen alle Masken."

"Weiß nicht...vielleicht kommt sie dich Nachts besuchen?"

"Sie bedeuten Schutz."
Sie senkte den Blick, starrte auf sein Hemd.

"Nein."

"Richtig. Wichtig ist nur, herauszufinden, was die Maske ist."
Er umfasst ihre Wange, zwang sie dazu, ihn anzusehen.
"Ich denke deine Maske ist das System."

"Du Armer...naja, kann ja nicht jeder eine Freundin haben..."

Sie hielt seinem Blick nicht lange stand.
"Das Sytem ist der einzige Glaube nach dem ich erzogen wurde. Es bedeutet alles, für allem für mein Geschlecht. Es ist die Möglichkeit zu überleben. Es gibt den Weg vor, den wir gehen müssen, ohne selbst nachzudenken. Es bedeutet Sicherheit. Klare Regeln, grausam, ja, aber dennoch gleich für alle."
Sie zerknitterte mit den Fingern den Saum seines Hemdes.
"Ich fürchte mich vor dem Tag, an dem du das Sytem zerstören wirst, denn dann habe ich nicht mehr hinter dem ich mich verstecken kann. Nichts mehr an was ich glauben muss. Dann muss ich selbst entscheiden, was Recht ist und was nicht. Und du weiß es selbst am besten: Das Herz macht Fehler."

"Ich könnte. Aber ich wollte keine."

"Wenn das System abgeschafft ist, gibt es nicht mehr diesen Zwang für euch. Keine Erniedrigung. Zwar nicht sofort, aber mit den Generationen wird es sich ändern. Das und vieles andere."
Er lehnte den Kopf zurück.
"Manchmal ist es gar nicht so falsch auf sein Herz zu hören."

"Okay...keine Lust auf Sex?"

Sie biss sich auf die Lippe, rang etwas mit ihren Worten, ehe sie aufschaute.
"Schau Mal, Cade...du hast jetzt Frauen kennen gelernt, die sehr selbstbestimmt leben. Sowohl Sei als auch deine Tocher waren so ein Typ. Starke selbstgewusste Frauen, die Gleichberechtigung anstreben. Ich bin mir sicher es gibt viele Frauen die auch so denken, aber es gibt auch genau so viele Frauen, die so sind wie ich..."
Leicht hilfloses Seufzten.
"Ich...ich mag es unter einem Mann zu stehen, verstehst du? Es ist genau dass was ich will und brauche. Es bedeutet für mich Sicherheit. Jemand der für mich entscheidet, jemand der sich um mich sorgt. Jemand bei dem ich klare Aufgaben erfüllen kann, wo ich weiß, wo mein Platz ist. An welcher Seite ich zu stehen habe. Jemand der mir den Wind aus den Segeln mit, wenn ich Dummheiten mache, in dem er mcih bestraft. Konkruent. Durchschaubar. Ich will keine Selbstbestimmung, ich will das jemand für mich bestimmt. Selbst zu entscheiden macht mir Angst. Mich erfüllt der Gedanke, jemandem zu gehören. Voll und ganz. Die Prüfungen, die Quallen, der Schmerz: Ich denke es ist notwendig um dieses Glück zu verstehen. Ich denke....ja ich denke ich würde es der Liebe vorziehen. In jedem Maß. Ich will keine Veränderung...ich will mein Käfig, dass sich Mann nennt."
Nervös sah sie ihn an.
Wusste wie er darüber denken würde.

"Doch. Schon. Aber nicht einfach mit irgendjemandem."

Trotzdem war es nicht seine Meinung, sondern die Ihre.
"Und darin liegt es ja, Madlen. Es gibt in diesem System keinen anderen Weg. Ihr müsst das tun. Ihr müsst euch beugen, ihr müsst es akzeptieren und selbst jene, die das nicht wollen und die es nicht brauchen werden dazu gezwungen es zu akzeptieren. Ohne das System hättet ihr die Chance zu wählen. Was ihr sein wollt. Wie ihr sein wollt. Es liegt nicht bei anderen zu entscheiden, was ihr braucht. Was du brauchst, das weißt nur du selbst. Du bist kein Kind mehr."

Cain hatte wohl nicht die vorteile von einem Singelleben verstanden...
"Achso...na dann...Linke oder Rechte Hand?"

"Aber man würde die, die den alten Weg wählen verurteilen."

Blinzeln.
"Was?"

"Nein. Menschen sind zwar Wesen, die schwächer sind, als wir. Deutlich erbärmlicher in ihrer Lebensweise. Kurze Lebensspanne. Brechen so schnell. Aber wenn ich etwas gelernt habe, dann, dass sie Kämpfer sind. Sie geben nicht auf, eben weil sie so wenig Zeit haben. Und was tun wir?"
Er ließ die Frage offen, schüttelte den Kopf.
"Es ist eine Wahl und keine der Entscheidungen ist zu verurteilen. Ich habe nicht vor, das System vollkommen abzuschaffen. Nur, es zu verändern. Offener werden zu lassen. Vor allem Frauen den Weg wählen zu lassen, den sie gehen wollen. Egal, ob sie lieber Krieger sind oder Mütter."

"Na, welche ersetzte deine Freundin?"
Grinsen.

Sie lächelte nun etwas.
"Frauen als Krieger? Das geht doch gar nicht. Frauen können nicht kämpfen."

"Hmm...meistens die Rechte. Manchmal Beide."

"Natürlich. Das ist nur das, was ihr zu denken erzogen wurdet. Neo ist eine exzellente Kämpferin, auch ohne ihre Fähigkeiten."

"Beide?"
Breiteres Grinsen.
"Eine reicht nicht?"

"Vielleicht eine Ausnahme, aber sicher nicht die Regel. Selbst sie hätte nie die Chance gegen einen Mann."
Sie schüttelte lächelnd dem Kopf bei den Gedanken.
"Frauen die Männerarbeit machen...verrückt."

"Jep~"

"Nur in unserer Welt. Und sie hätte eine Chance."

"Oha!"
Er lachte.

"Ich kannes mir nicht vorstellen...stell dir Mal vor: Irgendwann würden Frauen einen Clan leiten. Vollkommen gesponnen. Stell dir Mal vor eine Frau würde dann einem Mann einen Befehl geben!"
Cade hatte wirklich verrückte Ideen.
"Hat sie dich jemals besiegt?"

Cain grinste und wuschelte ihm durch die Haare.
"Hey, lass uns ein Eis essen gehen, ja?"

"Es wäre möglich.", meinte er ruhig, schüttelte dann aber den Kopf.
"Nicht in einem fairen Kampf. Neo gewinnt gerne, in dem sie erpresst. Weißt du, wäre sie ein Junge gewesen, wäre sie trotz ihrer Abstammung mein Erbe geworden. Sie erfüllt alle Voraussetzungen. Aber auch sie ist labil."

"Au ja!"
Sofort war er Feuer und Flamme.

"Warum machst du sie nicht zu deinem Erbe wenn du die Welt doch so veränder willst? Sie war ja auch schon mit diesem Creon bei den Weisen?"

"Okay. Aber erst ziehen wir dir was anderes an.", meinte er und hob ihn hoch.
Auf auf!

"Nein. Es reicht nicht mehr."

"Okay!"
Da war aber jemand motiviert!
Raus! Raus! Raus!

"Reicht nicht mehr?

Ja, raus!
Cain brachte ihn zu der nächsten Eisdiele.

"Ja. Zu labil. Zu viel geschehen."

Bloss nicht zu weit weggehen...jaja...
Rees freute sich trotzdem wie ein Eiskönig, als er endlich sein Schokoeis unter freiem Himmel schlecken konnte.

"Ah..."
Seufzten. Gar nicht so leicht ihn zu verstehen.
"Dann brauchst du also eine neue Frau..."

"Und? Wie ist das Eis?", fragte Cain ihn nach einer Weile auch lächelnd.

Cade seufzte mit ihr.
"Sieht wohl so aus."

Rees verschmierter Mund müsste eigentlich für sich sprechen, oder?
Sogar sein Shirt war vollgesabbert.
"Lecker!"

"Jemand im Sinn?"

Cain lachte.
"Sieht man!"

"Nein."

Rees legte fragend den Kopf schief, schleckte dann aber weiter.
"Kann ich noch eines haben?!"

"Also noch mehr Arbeit."
Sie spannte sich etwas an.