Heruntergekommener Bahnhof [1]

Danke, du hättest sie sehen müssen, bevor man mir die Schwingen gestutzt hat
Wehmütig sah er zu der kleinen Schüssel mit Wasser.

Sie sah zwischen dem Vogel und dem Wasser hin und her, nachdem sie noch eine Weile mit beinahe schon kindlicher Begeisterung die Federn gemustert hatte.
Jap...klein Raiko hatte schon immer einen Vogel haben wollen...nur eben...kleiner...
"Magst du?", fragte sie dann und deutete auf das Schüsselchen.

Kleine, naive, Raiko, legte den Kopf etwas schief und dachte nach.
"Und wenn du den Kopf etwas nach hinten legst und ich langsam kippe?"

Er sah sie eine Weile lang verwundert an ehe er wieder klare Gedanken fassen konnte.
Es würde schon reichen, wenn du es mir ins Unterkiefer kippst.

Das Mädchen lachte leise und stand auf, um die Schüssel zu holen.
"Siehst du? Alles kein Problem."
Mit der Schüssel setzte sie sich wieder neben ihn.

Er legte brav den Kopf auf den Boden und klappte den Schnabel auf.
Da hatte jemand Durst.

Vorsichtig, um ja nichts zu verschütten, kippte sie den Inhalt der Schale in seinen Unterkiefer und stellte diese dann wieder weg.
"Kleines bisschen besser?"

Der Phönix legte den Kopf nach hinten um zu schlucken.
Ja, danke.

"Musst dich nicht bedanken", seufzte sie, rollte sich einfach mal auf der Seite zusammen und schloss die Augen.
"Immerhin bin ich...dir...auch was...uldig...", zum Ende des Satzes hin war sie immer leiser geworden, was aber auch nur daran lag, dass sie eingeschlafen war.

Der Phönix legte den Hals um sie, damit sie es warm hatte und hielt dann stumm Wache.
Von draußen hörte man neue Schreie von Dämonenkindern.

Sie schlief zwei, drei unruhige Stunden, bevor sie wieder wach wurde und sich verschlafen an die Wärmequelle drückte.
Uhh...Wärme machte träge und schläfrig.
"Hab ich lange geschlafen?"

Nein, kanpp 3 Stunden.
Er öffnete ein Auge um sie anzusehen.
Sie haben deinen Bruder weggebracht.

Definitiv das falsche Thema...
Ihr Herz stolperte über sein eigenes Spiel und Raiko musste sich dazu zwingen, ein paar mal tief Luft zu holen.
"Sie werden ihn töten...", murmelte sie wieder leise, mehr zu sich selbst, als zu dem Vogel.
"Werden sie.."

Nein...ich denke nicht. Dein Vater oder jemand aus deiner Familie muss sich in den Krieg eingemischt haben. Sie werden ihn vermutlich nutzen, um Druck auszuüben oder ihn dort hinrichten und sich eine neue Geisel holen. Sowas macht ihnen Spaß.
Eine Stichflamme und ein bibbender Yuu saß vor ihr.
Sich wärmend die nackten Schulten reibend.
"Vermutlich vollen die das Neugeborene von ihm."

Zu ihrem eigenen Erstaunen überraschte es sie kein bisschen, Yuu zu sehen.
Oder eher zu hören, sie hatte die Augen wieder geschlossen.
Wenn sie später noch Zeit hatte (und lebte) konnte sie ja darüber nachdenken, aber Noa war ihr eben gerade wichtiger.
"Er wird ihn nicht wiederhaben wollen. Noa ist nicht wichtig für ihn. Ich sag ja...sie werden ihn töten.", kam es jetzt schon fast resigniert.

"Das ist ihnen egal, es geht ihnen nur ums Prinzip."
Er kauerte sich zusammern, denn es war ihm kalt, jetzt wo keine Federn seinen Körper mehr wärmten.
"Wir töten sie einfach alle nacheinander und du stellst deine Vorderung an Dariel perönlich, als Gewinn."

Töten...schon wieder dieses Wort.
Es tauchte in letzter Zeit zu oft in ihrem Kopf auf und Raiko mochte es definitiv nicht.
"Das sagst du so einfach."

"Ja. Tu ich."
Er sah sie eine Weile lang an.
"Du hast einfach zu lange in der behüteten Welt der Menschen gelebt."

"Meine Welt hatte vier dicke Mauern", kam es trocken zurück und sie rollte sich noch etwas mehr zusammen.
Bilder vom vorherigen Tag kamen ihr wieder ins Gedächtnis und sie rieb sich mit immernoch geschlossenen Augen über die Stirn.

"Sorry...", seufzte er.
"Aber so überlebst wenigstens du."

"Ich versteh deine Aussage nicht.", murmelte sie.
Nicht nachdenken. Einfach nicht darüber nachdenken.
Nimm es einfach hin
Mehr nicht.

Erschrocken zuckte er bei dem direkten Gedanke, den er nun hören konnte zusammen.
"Was soll ich hinnehmen?"

Sie öffnete ein Auge und blinzelte ihren Gegenüber skeptisch an.
"Ich hab gar nichts gesagt."
Frag einfach nicht nach

"Was nicht nachfragen?"
Verwirrt sah er sie an.
"Kannst du mal deutlicher werden?!"

Jetzt hielt sie einfach nur noch die Klappe.
Kann es sein, dass du hörst, was ich denke?

"Ja, wenn du einen so zielgerichteten Gedanken hast."
Er legte den Kopf auf die Knie.

Arschloch.
Damit ging das Auge wieder zu und Raiko verstummte gänzlich.
Pf...hatte eben auch mal rausgemusst.

"Tja."
Er machte ebenfalls die Augen zu.

Sie reagierte nicht mehr und setzte sich in Gedanken mit der Parameteranalyse eines Stücks von Debussy auseinander.
Ablenkung musste eben sein und das war die...aufwendigste?