Heruntergekommener Bahnhof

Er schüttelte leicht den Kopf.
"Ich hätte dir sagen können, was sie tut. In der Hinsicht sind wir uns ähnlich, Rees. Ich an ihrer Stelle hätte dasselbe getan. Wenn es um dich gegangen wäre."
Dann jedoch verfiel er ihn Schweigen.
Eine stumme Zustimmung.

"Liebst du sie?"

"Als Schwester, ja."

"Hast du mit ihr geschlafen?"

Wieder eine Weile lang Stille.
"Ja."

"Wie oft?"

"Oft genug."

"Wie oft? Einmal ihm Jahr? Zweimal im Monat? Jede Woche? Jeden Tag?!"

"Ich weiß es nicht, Rees. Oft genug. Von irgendwas muss ich ja auch leben."

"Und dann erzählst du mir, dass du sie wie eine Schwester liebst!"
Er machte sich los.
"Wäre es dir nur im Nahrung gegangen hättest du hier und da mal mit einer Schlampe schlafen können und nicht immer mit ein und der selben Nutte! Zudem: Seit wann stehst du den wieder auf Frauen?! War ich dich zu hässlich oder was!?"
Schon war er vom Bett unten.
"Du verlogenes Arschloch!"

Er zog ihn zurück und stand selbst auf.
"Bemüh dich nicht. Ich geh schon.", fauchte er dann, bevor er aufstand.
"Ich bin das verlogene Arschloch?! Ich hab mich selten beschwert, ich hab deine Laune ertragen, habe mich deinem Willen gebeugt und hab dich auch damals, als Kaeru und Hotaru noch lebten alles ausprobieren lassen. Ich hab verdammt nochmal länger als zwölf Jahre auf dich gewartet, immer wieder alleine die Kinder großgezogen, die DU so gerne haben wolltest! Und dann hattest du wieder einmal eine deiner Launen und lässt dich von deiner eigenen Mutter umbringen, weil du ja mal was ausprobieren wolltest! Sie hat dich all die Jahre nicht interessiert! Der einzige von uns beiden, der in der Hinsicht sich mal drum gekümmert hab, bin ich, weil ich es erstens deinem Vater versprochen habe und ich zweitens wusste, dass du sie irgendwann noch einmal brauchen wirst. Und ich hatte Recht, Rees. Aber nein, du gehst und stirbst einfach mal, WEIL DU JA GERADE MAL LUST DAZU HATTEST!", herrschte er ihn an, holte dann aber kurz Luft.
"Das was wir hatten, Rees, das war keine Beziehung. Bei weitem nicht.", meinte er dann leise, bevor er sich umdrehte und nach draußen ging.

Und wenn er wieder kommen würde, wäre Rees weg.
Keine Beziehung also?
Gut. Sollte er doch mit Neo leben!
Ihn brauchte er ja nicht. Und um sein "Problem" würde er sich auch noch kümmern.

Er kam nicht wieder.
Der Dämon vergrub sich in seinem Zimmer und weigerte sich noch einmal herauszukommen.

Wunderbar. Genau so wie Neo.
Grace kam letztendlich zu ihm.
"Papa?"

"Was ist, Schatz?", fragte er müde und hob den Kopf.

"Ich wollte doch heute bei dir schlafen...?"

"Ja, ich weiß."
Er klopfte neben sich.
"Komm her."

Sie kletterte zu ihm aufs Bett.
"Du siehst traurig aus..."

Er zog sie in die Arme.
"Jetzt nicht mehr."

Er bekam einen Kuss auf die Wange.
"Ich hab dich lieb, Papa!"

"Ich dich auch, Kleines."
Wenn sie alt genug war würde ers ihr wohl sagen müssen, hm?

Wenn.
Und er sollte gut auf sie aufpassen, denn sonst würde sie ihrem Erzeuger zum opfer fallen.

Das konntest du nicht machen, Rees!
Eine volle Woche vergrub sich der Incubus in seinem Zimmer, bevor er sich aufmachte, um Neo aufzusuchen.
Er hatte es ihr immerhin versprochen.
Müde fuhr er sich über die Stirn, als er ihr Büro betrat.
"Neo?"

"Ja?"
Sie lag in ihrem Bett und starrte die Decke an.

Er legte sich neben sie.
"Ich versteh die dumme Welt nicht."

"Wieso ist es jetzt auf einmal eine dumme Welt? Gerade warst du noch überglücklcih, dass Reees wieder wach ist und jetzt hasst du die Welt schon wieder....bist du eine Frau?"

"Vielleicht hätte ich eine werden sollen. Dann wärs jetzt wesentlich einfacher.", seufzte er.
"Was ist Liebe eigentlich? Wie definiert man eine Beziehung? Warum ist der dumme Vogel nie da, wenn man ihn mal braucht?!", jammerte er los.

"Ich kenn auch keine Antwort auf deine Fragen. Aber vielleicht solltest du mal mit Vater darüber reden?", meinte sie leise.

"Cade?!", er schnaubte.
"Weißt du, Neo, du willst es nicht hören, aber Cade ist ein wertloses Arschloch. Selbst ein Vogel war mir in drei Minuten mehr Vater, als er es jemals gewesen ist."
Und dann wurde er wieder kurz still.
"Und jetzt ist Rees so oder so fort."

"Wie fort? Ist er etwa weg?"
Sie setzte sich auf.