Heruntergekommener Bahnhof [6]

Yuus Blick wurde verwirrt.
"Wen hast du umgebracht?"
Er schloss sie schützend in die Arme.

Damit verschwant Pan auch wieder.

"Ai. Ich hab Ai umgebracht", hauchte sie ebenso tonlos wie vorher auch schon.
"Ich hab sie getötet...ich hab sie getötet...Yuu..."
Dammbruch.

Yuu zuckte zusammen, schloss sie dann aber noch fester in die Arme.
"Oh Schatz...", er wusste nicht recht was er jetzt sagen sollte.
"Und...wo ist sie?"

Hatte sie auch gerade bitter nötig.
"Ich...ich wollte ihr doch gar nicht weh tun, Yuu...ich wollte doch gar nicht..."
Sie kratzte sich mit einer Hand über die Haut an ihrem Handgelenk der anderen Hand.
Wenn sie das lange genug tat, fiel das dumme Ding bestimmt irgendwann ab!

"Scht..."
Er nahm sie hoch auf die Arme, wie ein kleines Kind.
"Es war nicht deine Absicht Raiko...beruhig dich... ich such sie nachher und kümmere mich darum. Alles ist in Ordnung."
Langsam trug er sie zurück in die Schule, ihr immer wieder über den Rücken streichelnd.

"Aber getan habe ich es trotzdem. Trotzdem."
Damit verstummte sie und ließ sich von ihm tragen.
Armer Yuu...immer musstest du hinter ihr herräumen.

Tat sie ja auch bei ihm.
Sie ergänzten sich eben.
"Ich liebe dich. Trotzdem."
Sie bekam einen Kuss auf die Stirn.
"Nehm es dir nicht zu Herzen. Es war eine Art...Unfall..."

"Das ändert trotzdem nichts an der Tatsache", murmelte sie und drückte sich nun endlich schutzsuchend an ihn.
Oder eher trostsuchend, obwohl das ihrer Meinung nach vollkommen unangebracht war.

"Scht...ist gut...es darf weh tun. Es ist okay wenn du traurig bist."
Im Zimmer setzte er sich mit ihr auf den Fenstersims und wiegte sie leicht hin und her.

Sie presste sich nur noch mehr an ihn und schüttelte den Kopf.
"Ich wollte ihr nicht weh tun..wirklich nicht..."
Das, was sie danach sagte, kam so leise aus ihrem Mund, dass wohl selbst Yuu Schwierigkeiten haben würde, sie zu verstehen.
"Aber ich bin froh, dass sie tot ist. Ich bin froh darüber. Weil sie dich mir nicht mehr weg nehmen kann...das ist falsch...das ist vollkommen falsch."

Yuu schwieg dazu und drückte sie einfach etwas fester.
"Alles wird gut Raiko. Ich bin bei dir."

Sie weinte einfach weiter.
Und sobald sie sich wieder beruhigt hatte, saß sie einfach nur noch da und versank in bodenlosem Selbsthass.

"Ich liebe dich so unendlich, Raiko."
Diese Worte wiederholte Yuu bei jeder ihrer Tränen.

"Es tut mir leid", kam es nach einer Weile, "Ich mache dir wieder mal nichts als Ärger, hm?"

"Schon in Ordnung."
Er küsste sie nochmal.
"Das macht mir nichts.....geht's wieder?"

"Wenn du damit meinst, dass ich nicht mehr in Tränen ausbreche und Anfälle bekomme, wie eine verdammte Idiotin...dann ja."
Typische Antwort, jetzt gings wieder.
"Ach und...Yuu? Ich liebe dich auch."

Er lächelte sie an.
"Und das bedeutet mir sehr sehr viel."
Er stand auf und setzte sie auf dem Bett ab.

Sie schien nachzudenken.
"Ich leide, wenn du nicht da bist. Zählt das auch?"

"Hai...trotzdem muss ich mich jetzt erstmal um ihren Körper kümmern. Er kann da nicht liegen bleiben.
Ich bin in einer halben Stunde wieder da."

Zuerst wollte sie sich beschweren, lächelte ihn dann aber nur schwach an.
"Hai..."
Das würde Ai auch freuen...irgendwie jedenfalls.

Yuu küsste sie nochmal und verschwand dann nach draußen.
Als er sie endlich gefunden hatte ob er sie hoch.
"Mein Kleine...", seufzte er und leckte ihr das kalte Blut von der Wange.
Dann trug er sie in den Wald.
Später kam Yuu mit den zwei Bündeln von Kindern wieder und legte sie seufztend aus Bett.
Erstmal das Blut abwaschen. Mal wieder...

Raiko hatte sich in der Zwischenzeit das Handgelenk blutig gekratzt und zuckte scharf zusammen, als sie Yuu mit den Kindern sah.
Ein Zittern ging wieder über ihren Körper und sie flüchtete sich auf die Fensterbank, drückte sich eng an das kalte Glas.
Nein Nein Nein Nein Nein!

Als Yuu fertig war, holte er sich schnell nocheinmal Verband und kümmerte sich dann um Raikos Handgelenke.
"Ich konnte sie nicht da lassen....aber keine Sorge...sie tragen nicht das Blut unserer Familie."

Fast schon kraftlos lehnte sie sich wieder gegen die Scheibe.
"Halt sie einfach fern von mir."
Sonst tat sie ihnen auch noch weh.

"Ich bring sie morgen weg...aber bitte helf mir...ich kann dass nicht mehr so wirklich..."

Sie warf ihm einen kurzen Blick zu.
"Und wenn ich ihnen auch weh tue? Ich hab sie schonmal im Kinderwagen die Treppe hinuntergestoßen."

Ruhig sah er sie an.
"Dann mach es diesmal einfach nicht. Du schaffst das."

"Wie kannst du dir da so sicher sein, wenn ich es selbst nicht bin?"
Sie zog die Beine an.
"Ich kann das nicht."
Hab es auch noch nie getan

"Ich vertraue dir, also enttäusch mich nciht."
Er drückte ihr ein Baby in die Arme.

Sie zuckte zwar, strich dem Kind aber dann leicht über die Wange.
"Das ist unfair, du setzt mich unter Druck..."