Heruntergekommener Bahnhof [1]

"Beantworte die Frage, wirst du in zwei Nächten für ihn kämpfen, oder nicht?"
Die Schreie erstarben.

Das war doch eine rethorische Frage, oder?!
Sie beruhigte sich wieder, sobald die Schreie erstarben.
"Werde ich."

"Dann lade ich dich ein die Nacht in einem Stall zu verbringen."
Zwei Engel kamen, packten Raiko am Arm und zogen sie mit zu den Ställen.
Der Phönix folgte ihr missmutig und schon gar nicht gefiel es ihm, als er sammt Raiko in einen Stall aus Stein gesperrt wurde.
Auf dem Boden lag etwas Stoh, vielleicht 6 Hände voll. Der Raum wurde nur von einem Kleinen Fenster erhellt.
Ausbruchssicher.
Der Vogel klapperte mit dem Schnabel, das war auch das einzige Geräusch das von ihm zu hören war, denn er hatte offensichtlich eine herausgeschnittene Zunge.

Raiko schwieg ab da nur noch.
Eigentlich war es ihr - wie vorher auch schon - relativ egal, was jetzt passierte.
Sie wünschte sich, die würden endlich mal in die Gänge kommen, anstatt sie weiterhin am Leben zu lassen.
Um den Vogel kümmerte sie sich erst recht nicht wirklich.
Ihre Gedanken drehten sich um Noa.

Der Vogel zupfte kurz an ihren Haaren, ehe er den Kopf weit oben auf dem Fester ablegte und hinaus sah.
Die Sterne wahren von ihr aus fast greifbar. Fast.
Die kühle Nachtluft schlug ihm angenehm entgegen.
Endlich hatte er zurück in die Arena gefunden.

Sie lehnte sich einfach nur an die Wand.
Noa. Leere. Noa. Leere. Noa. Noa. Noa.

Irgendwann, als das Licht ganz von der Nacht verschluckt worden war, legte sich der Phönix auf den Boden. Den Kopf neben Raiko gelegt stupste er sie immer wieder an der Seite an und zupfte zart an ihren Haaren.
Ein weiteres Klackern.

Irgendwann erregte der damit auch mal ihre Aufmerksamkeit und sie blinzelte den Vogel leicht an.
"Hör auf damit."

Er hörte augeblicklich auf.
Ich werde morgen für dich gewinnen. Mach dir keine Sorgen.
Der Phönix sah sie ruhig aus den trüben Augen an.

Sie zog die Beine an und legte den Kopf auf die Knie.
"Tut mir leid...ich hab gar nicht darüber nachgedacht. Aber sie werden ihn trotzdem töten."
Sollte sie jemals noch einmal lebend hier heraus kommen, würde sie ihrem Vater die Kehle durchschneiden.
Aber erst, nachdem sie ihn kastriert hatte. Definitiv.

Du solltst keine solch bösen Gedanken hegen.
Er legte den Kopf auf den Boden.
Keiner wird ihn töten, solang es mir möglich ist, es zu verhindern.

"Es sind immernoch meine Gedanken."
Damit gab sie Ruhe und richtete den Blick nach unten.

Der Phönix schloss nun die Augen und schlief dann auch recht schnell ein.
Der Morgen wurde bald kommen.

Sobald sie sich sicher war, dass der Vogel schlief, siegte das klitzekleine bisschen Neugierde in ihr und sie streckte sich, um ihm ganz vorsichtig über den Schnabel zu streichen, erwartete jedoch, dass er jeden Moment zuschnappte.
Wie sich sowas wohl anfühlte?

Entspannd schnaubend bließ der Vogel die Luft aus den beiden Nasenlöchern in seinem Schnabel und lies sich auf die Seite sinken.
Eben so wie die beiden Phönixe, die auf dem Gerichtshof waren hatte auch er an den selben Wunden.
Hals, Gesicht, Flügel, Rumpf, Beine, doch diese waren bereits verheilt und bildeten Narben die das Federkleid durchbrachen.

Jetzt noch ein wenig neugieriger geworden rückte sie etwas näher und traute sich nun auch, über die Federn zu streichen.
Immernoch vorsichtig und eindeutig ehrfürchtig, aber ebenso interessiert.
Und dann kam in ihr die Frage auf, warum diese Lichtwesen Dämonen töteten, wenn sie selbst doch solch grausame Wesen waren.
Unverständlich.

Die Federn waren noch warm und beherrbergen hier und da noch Glut von dem Kampf und hüllte den Phönix in wollige Wärme.
Diese Frage...ist doch offensichtlich....weil sie nichts anders können....dafür existieren sie...ohne Hass sind sie nichts...

Das Mädchen zuckte erschrocken zurück und nahm wieder Abstand.
"Das ist armselig."

Das ist Leben.
Kurz flammten seine Federn nochmal auf, ehe sie wieder eroschen und drückte den Schnabel an ihre Seite.

"Ist es nicht. Ich existiere ja schließlich auch nicht, um zu hassen.", widersprach sie demm großen Vogel und strich wieder über den Schnabel.
Ein großer, nähebürftiger Vogel...

Würde man deinen Bruder vor deinen Augen töten, würdest du Hass verpüren. Er würde dich zu einigem verleiten. Hass und Schmerz formen ein Wesen. Wie die Phönix die dich angegriffen hat. Sie wurde genau so in den Wahnsinn getrieben.

"Würde. Wenn erst gar nichts passieren würde, was den Hass antreibt, dann wäre es doch einfacher..aber das kann man von niemandem verlangen, oder?"
Naives Ding.

Wenn sie erlaubte?!
"Tu dir keinen Zwang an, das hab ich immerhin nicht zu bestimmen."
Sie nahm die Hand wieder weg.

Ich bin jetzt deine Waffe...du trägst mein Zeichen. Ich werde deine Kämpfe ausführen und auf deinen Befehl hin sterben, wenn es denn dein Wunsch ist. Das haben Waffen so an sich. Du warst wirklich noch nie bei einem der jungsten Kriege...
Und jetzt mach doch bitte weiter...
Er stupste ihre Hand kurz mit den Schnabel an.

"Das ist Unsinn.", kommentierte sie, "Außerdem lebe ich noch nicht einmal zwei Jahrzehnte."
Raiko kam dem Wunsch des merkwürdigen Vogels nach, der behauptete, jetzt ihre Waffe zu sein und beobachtete ihn ein wenig.
Das Brandzeichen war auf den Moment ganz vergessen worden, aber sie schwieg jetzt, versuchte, einfach nicht mehr über alles nachzudenken.

Der Vogel schlief friedlich bis am nächsten Morgen die Türen aufgingen und eine Schale mit Regenwasser und etwas Brot hineingeschmissen wurden, ehe die Tür wieder zu ging.
Der Phönix hob den Kopf und sah dann auf Raiko. Geduldig wartend, bis sie sich etwas nahm.

Tat sie aber nicht, sie strich schon die ganze Nacht über den Vogel weiterhin über Schnabel oder Federn gestrichen.
Dan hatte sie wenigstens etwas zu tun gehabt.
Als sie dann schließlich den Blick bemerkte, sah sie auf.
"Was denn?"

Nimm dir was. Vermutlich wirst du davor nichts mehr zu trinken oder essen bekommen.
Er plusterte kurz seine Federn auf und legte sie dann wieder flach an den Körper.

"Das macht nichts"
Fasziniert beobachtete das Mädchen ihn bei seinem Tun.
"Ich mag deine Federn", platzte es dann ganz spontan aus ihr heraus.