Straßen und Gassen [1]

"Ich war einige Zeit bei Okaa-san, bis sie mich zu den schwarz-weiß Frauen gegeben hat. Da war ich laaaaang...bis sie alle...äh...weg...waren. Dann bin ich los und hab dich gesucht. Dich und Daddy. Yuu hat mir gesagt wo ich hinmuss. Oh und eine weiße hab ich Daddy immer beobachtet, bis ich da gewohnt habe."

"Dann hab ich mir ja ganz umsonst sorgen gemacht", murmelte sie leise zu sich selbst, ehe sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Rees lenkte.
Ihre Augen waren ausdruckslos.
"Du wirst mich nicht verraten...oder? Du nicht..."

"Verraten? Wie meinst du das, Mama?", fragte er erstaunt.

Sie rang sich ein Lächeln ab, das definitiv nicht echt wirkte.
"Nichts, mein Kleiner, nichts"

"Warum hast du es dann gesagt?", fragte er und sah sie mit großen Augen an.

"Ach...nur unsinniges Gerede, achte einfach nicht drauf", sie klang jetzt fröhlicher und winkte ab.
"Also? Wolltest du dir nicht was zu essen holen gehen?"

"Ich muss Daddy fragen ob ich was bekomme", meinte er und hüpfte los.

Erneut seufzend lehnte sie sich gegen die Wand und schloss die Augen.
Viel zu stressig
Sie hatte keine Lust, sich großartig zu bewegen und außerdem hatte Gabriel ihr verboten, in die Nähe von Blut zu kommen.
Warum auch immer...

Rees verschwand in den Gassen und es gab ein lautes Gepolter und das Geräusch von berstendem Holz.
"Hab was!", rief er und rannte zurück zu Raiko.
Er hielt ihr eine tote Taube hin.
"Uiii~ Ich bin gut!"

Tropf...Tropf...Tropf
Ihre Augen fixierten das Blut, das aus der Kehle der Taube tropfte.
"Ja...super...", sie schluckte.

Er setzte sich neben sie auf den Boden und begann die Taube mit Zähnen und Fingern aufzureißen um ihre Rippen besser brechen zu können.
"Sind aber immer sooo zäh."
Die erste Rippe brach.

Ein Schaudern ging durch ihren Körper und Raiko schloss gequält die Augen.
"Mhmm..."
Mach mal schneller, Zwerg!

Endlich hatte er ihr Herz erreicht und riss dieses heraus.
"Mama? Ist dir nicht gut?", fragte er besorgt und zog an ihr.
"Wart! Einfach essen! Gut!"
Klatsch, sie hatte das Herz im Gesicht.

Innerhalb von ein paar Sekunden wurde Rees an der Kehle gepackt und an die Wand gepresst.
"Du...", zischte sie aufgebracht, am ganzen Körper zitternd, die Augen voller Verachtung.

Sein erster Reflex war es, panisch nach Raikos Hand zu packen und sich unter dem Griff zu winden, doch dann entspannten sich seine Gesichtszüge. Seine Finger rutschten von ihrem Handrücken ab und hingen beweglos links und rechts von ihm.
Warm sah er sie an, ein Lächeln auf den Lippen.
"Ist okay, Mama. Ist okay, wenn wir wieder zurück gehen."

Wie von der Tarantel gebissen ließ sie ihn los.
"Was...Wieso..."
Sie wich zurück.

Er rieb sich leicht das Genick.
"Macht nichts, Mama...es tut sich so arg weh, wenn du es machst...."

Das pure Entsetzen stand ihr ins Gesicht geschrieben.
"Wieso...Wieso sagst du das...Wie..."

Er ging auf sie zu und umarmte ihre Knie ganz fest.
"Ist okay, wenn du mir weh tust, wenn du das willst! Ist ganz okay! Du kannst Rees ruhig weh tun. Gar nicht schlimm! Mach..."

Sie fühlte sich, als hätte man sie geschlagen.
Erst jetzt bemerkte sie, dass ihre Wangen feucht waren.
Sie selbst wandelte in namenlosen Entsetzen.
"Warum..."

"Weil ich dich lieb hab", war seine schlichte Antwort.

Plötzlich fing sie an zu lachen, machte seine Arme von ihren Beinen los und hockte sich vor ihn.
"Ach komm schon. Was ist es diesesmal? Hm? Was hat dieses unschuldige Getue diesesmal für einen Zweck?"

"Zweck?", fragte er erstaund und legte den Kopf schief.
"Ist das nicht ein pöses Wort?"

Sie kicherte amüsiert.
"Jetzt tu nicht so dumm. Schließlich bist du sein Sohn. Drecksbrut", das letzte zischte sie.

"Was hast du gegen Cady?"
Ihm wurde unwohl.
"Mama? Warum sagst du Drecksbrut?"

"Ich rede nicht von Cade, Rees. Cade ist es nicht einmal wert, genannt zu werden...diese widerliche, kleine Made"
Mit einem fast schon hörbaren Knacken brach das erste Siegel, dass Gabriel ihr verpasst hatte.
"Unfähiger Engel~", murmelte Raiko leise zu sich selbst und grinste.
"Drecksbrut? Weil es so ist. Du dürftest eigentlich gar nicht existieren. Ich habe dich umgebracht, bevor du das tun konntest."

"Ja, ich weiß, damit wir jetzt zusammen im Himmel sind!", sagte er.
"Weil du mich lieb hast!

"Nein, Rees, Nein. Ich hab dich umgebracht, weil ich deine bloße Existenz nicht ertragen konnte. Zu dem Punkt, dass ich mich übergeben könnte, wenn ich dich nur ansehe Verstehst du das?", ein grausamer Ausdruck lag auf ihrem Gesicht.

Ängstlich wich er vor ihr zurück.
"Nein ! NEIN! Das stimmt nicht! Du lügst! Du hast mich lieb! Du bist nett zu mir! Lüg nicht! Lüg nicht! Mama! Schlag mich lieber! Das tut so weh! Sag das nicht!"

Raiko zog ihn wieder zu sich und nahm ihn in den Arm.
"Auch wenn du nichts dafür kannst, Kleiner...Sieh es ein, ich hasse dich. Und du hast dich von Lügen blenden lassen. Du wusstest es doch. Interessante Situation, nicht? Alles ist umgedreht...Oh, wie sehr ich mir wünsche, du würdest von dieser Welt verschwinden. Und mit dir auch noch das letzte bisschen Schmerz. Wenn du nur nicht da wärst...dann könnte ich vergessen...", ein bitteres Lachen entfuhr ihr, "Also...was spielen wir diesesmal für ein Spiel?"