Heruntergekommener Bahnhof

"Lesen hat seinen Reiz verloren. Aber danke, Neo."

"Naja...nein. Eigentlich nicht."

"Ich würde es mir an deiner Stelle überlegen. In seiner Freizeit hat man hier nicht viel zu tun, weißt du. Da ist ein gutes Buch viel wert."

"Nie?", jetzt wurde Reesi aber ganz leise.
"Ich will selber laufen...."
Cain machte das nie nie? Gott, bei ihm wurde es jetzt schon wieder unangenehm!

"Nicht viel zu tun ist eine Untertreibung."

"Ich will dich aber tragen."

"Okay. Nichts zu tun."
Sie packte sich eine Bürste und brüstete damit ihr Haar.
"Aber wenigstens ist es schön ruhig hier. Das ist sehr angenehm. Man hat fürs nichts eine Verantwortung."

"Bitte. Lass mich runter."

Sollte sie.
Raiko nahm sich den Föhn.
"Verantwortung ist nicht immer schlecht."

"Warum?"

"Aber nicht für jeden geignet...sie macht Einsam."

"Ich muss nachdenken. Allein."

"Einsam ist man so oder so irgendwann."

Er blieb abrupt stehen, sah auf ihn herunter.
"Bitte."
Rees wurde abgesetzt, Cain schob die Hände in die Hosentaschen und schlenderte dann davon.

"Nein. Jetzt zum Beispiel: Ich habe für neimanden die Verantwortung und ich bin nicht einsam, weil mein Bruder jetzt bei mir ist."

Rees sah ihm kurz nach.
Wunderbar, jetzt war sein Freund eingeschnappt....
Dennoch drehte er sich um und ging in die andere Richtung.
Nass wie sie beide waren.

"Mehr oder weniger bei dir. Den Großteil des Tages steckt sein Schwanz in Rees.", kam es trocken.
Raiko! Seit wann sprachst du denn dieses Wort aus?!

War er hundertprozentig.

"Besser als wenn er ganz weg ist, oder?"
Raiko!
Sie ließ die Brüste sinken, betrachtete sich um Spiegel.
"Vielleicht gewöhnt er sich ja an mich. Vielleicht mag er mich ja irgendwann. So wie früher."

"Er mag dich. Nur Rees hat er lieber."

"So ist es eben, wenn man einen Parter hat. Man ist dann so glücklich, dass man alles andere vergisst."
Ihre Augen verdüsterten sich.

"Der Tod holt uns alle ein.", meinte sie leise.

"Dich nicht."
Sie drehte sich zu ihr um.
"Dein Körper ist unsterblich, nicht? Mein Vater hat es gemacht...aber was wäre wenn man die Manes überwinden kann? Kann man dann deinen Körper töten?"

Sie zuckte zusammen.
"Auch ich kann sterben."

"Vollkommen", meinte sie mit einem lächeln.
"Ich könnte dir den gefallen tun, wann immer du willst."

Die Schwarzhaarige fixierte Neo, starrte sie an.

Neo lächelte nur zurück.
"Keine Angst, ja? Ich tu dir nichts, wenn du nicht willst."
Sie hob die Hände.

Was Raiko zu einem leisen, verächtlichen Schnauben verleitete.
"Du hast nicht gerade ernsthaft gedacht, dass ich Angst vor dir habe, oder?"

"Ich denke das nicht, ich weiß es."
Raiko wurde gegen die Strin gestupst, ehe sich Neo abwandte und zurück auf ihre Terasse ging.

"Dann denk mal weiter, dass du es weißt."

"Hm?"
Hörte man nur noch aus dem Flur.

Sie bekam keine Antwort mehr, Raiko band sich noch die Haare hoch und verschwand dann wieder nach draußen.

Und damit war Neo wieder allein in dem Haus.
Toll.
Brummelig schnappte sie sich ein Buch.

So war das Leben, Neo.
Cain kam irgendwann wieder Nachhause, keine Sorge.
Er hatte nur etwas schlechte Laune.

Dann war es sowieso besser ihm aus dem Weg zu gehen.
Sie wollte keinen Ärger.

Ach was.
Cain war es, der schließlich ihre Nähe suchte.

Sie legte auch das Buch beiseite.
"Und? Hast du ihn nicht gefunden."

"Doch. Aber er will nachdenken. Allein."
Er setzte sich neben sie.

Breites Grinsen.
"Und deswegen bist du jetzt beleidigt?"