Heruntergekommener Bahnhof [6]

Wusste Raiko ja nicht.
Sie dachte aber mal ausnahmsweise so weit, dass es dem Jungen nicht wirklich helfen würde.
Aber sie brauchte eben auch irgendwas zum spielen, während er wahrscheinlich schlief und sie wieder in die Dunkelheit starrte.
Scheiße wars dann nur, wenn man dann doch einschlief.

Als Pan später wieder in das Zimmer sah, deckte sie die Beiden zu und öffnete die Fenster.
Oh, wie sie Raiko verstand...

Raiko zuckte leicht im schlaf, als die Tür aufging, zog aber nur die Beine an und murmelte leise vor sich hin, bevor sie mit einem Seufzen wieder still wurde.
Er war ein Arsch, aber Yuu fehlte ihr.

Hey, warum war Yuu ein Arsch?
Sie war es, die auf seinen Gefühlen herumgetrampelt war!

Die nahmen sich beide nichts.
Man darf ja nur mal an Yuus unglaublich taktvolle Wortwahl erinnern.
Das Yuu ein Arsch war konnte man genauso wenig leugnen, wie die Tatsache, dass Raiko ein Miststück (und eine Schlampe) war.

Wohl war.
Sie passten also doch irgendwie zusammen, nicht?
Ein Herz und eine See...Hass.

Ja, irgendwie schon.
Auf eine makabre, abstrakte Weise, aber irgendwie schon.
Raiko war eigentlich recht froh, dass sie gerade selbst einer von ihnen war.
So konnte sie im wachen Zustand ihre Gedanken etwas besser kontrollieren.
Wer weiß, was sie sonst schon alles angestellt hätte.

Ein weiteres Mal an diesem Abend öffnete sich die Tür.
Jedoch kam nciht wie sonst Pan oder eine Bedinstete herein, sondern Rees, der sich neben Raiko ins Bett kniete und ihr beide kühlen Hände an die Wange legte und seine Lippen ihre fast schon berührten.
"Mom, wach auf."

Leicht zuckte die Schwarzhaarige, bevor sie leicht den Kopf einzog und recht verschlafen ein Auge öffnete.
"Rees?", murmelte sie leise, verwirrt.

"Warum bist du hier, Mom?", fragte er sie.
"Warum tust du dir das an?"

"Es ist interessanter, als planlos durch die Welt zu laufen, oder?", kam es leise zurück und sie öffnete nun auch das andere Auge.
"Warum tu ich mir was an?"

"Warum bist du nicht bei Dad?", fragte er und küsste ihre Wange.
"Hier gehörst du nicht her."

"Weil ich einen Fehler begangen habe, den ich nicht mehr rückgängig machen kann", antwortete sie ihm und hob eine Hand, um ihm leicht durch die Haare zu streichen.
"Ich gehöre hier nicht her, aber ich habe auch keinen Ort mehr, an den ich zurückkehren kann"
Wenn er damit verstand, was sie meinte.

"Suchst du einen neuen Ort?", fragte Rees.
"Suchst du eine neue Zeit?"
Die pupillenlosen blauen Augen des Gottes verengten sich.
"Kann Zeit deinen Fehler ändern?"

"Ich will keinen neuen Ort. Ich will diesen einen Ort wieder."
Dann seufzte sie leise und schüttelte leicht den Kopf.
"Ich weiß es nicht. Vermutlich nicht."

Seine Finger strichen über ihre Wange.
"Mom, wenn ich dir helfen kann...", ihre andere Wange wurde geküsst.
"Bleib nicht hier....bleib nicht hier, sonst musst du sie töten..."

Sie schloss die Augen wieder.
"Bleibst wenigstens du?"
Nein, diese Frage bezog sich keinesfalls auf reine körperliche Anwesenheit.
"Was meinst du damit?"

Rees lächelte sie liebevoll an.
"Ich bin ein Teil von dir, Mama, ich bleibe für immer bei dir."
Er lehte sich zurück.
"Sie werden dich dazu bringen, die zu töten, die dir etwas bedeuten."

Die Augen gingen schon wieder auf.
Frau konnte sie eben nicht entscheiden.
Sie streckte die Hand nach ihm aus und strich ihm mit den Fingerspitzen vorsichtig über die Wange.
Als hätte sie Angst, er würde einfach verschwinden, wenn sie zu grob war oder sie könne einfach durch ihn hindurchgreifen.
"Ich will nicht wieder dorthin...aber...", sie verstummte bei dem Gedanken, Yuu auch nur irgendwie zu töten und schauderte.
Schluckte einmal trocken.
"Was ist mit Cain, Rees?"

Rees schloss die Augen und drehte den Kopf weg.
"Du musst von hier weg gehen."

"Er wird sterben. Das weißt du.", sagte sie leise und betrachtete ihn besorgt.
"Wie denn?", seufzte sie dann und strich dem Jungen, dessen Kopf immernoch auf ihrem Bauch lag, einmal leicht durch die Haare.

Ja, er wusste es und er wusste auch, wer sein Mörder sein würde.
"Ich werde dich hier weg bringen...und dann musst du rennen. Nimm sie mit Raiko. Nimm sie mit. Ich werde Ayumi in deine Verantwortung übergeben. Gib sie Cade zurück. Lauft weg, dort hin wo es kaum Menschen gibt, gar irgendwelche Wesen."
Draußen hörte man schritte.
"Und nimm Cain mit. Ich flehe dich an. Nimm ihn mit euch!"

Sie richtete sich jetzt auf, bettete den Kopf des Jungen vorsichtig auf dem Bett und lehnte sich zu Rees.
"Cade wird wohl kaum mit Ayumi mit mir kommen. Yuu...", sie zögerte kurz, schluckte wieder, bevor sie den Blick abwandte, "Genauso wenig."
Sie reckte sich noch etwas mehr und hauchte ihrem Sohn einen Kuss auf die Wange.
"Ich nehme ihn mit, aber ich kann ihn nicht am Leben erhalten. Nicht, wenn er nicht leben will."

"Alles wird gut", meinte er und legte die Arme um sie um sie an sich zu ziehen.
"Halt ihn einfach solange am Leben wie du kannst. Sag, er soll es für mich tun, dann komme ich zu ihm zurück."
Sein Griff wurde etwas fester und an Raikos Hals wurde es nass und warm.
"Lass das alles meine Sorge sein...denn alles was lebt unterliegt der Zeit. Ich werde mit...mit meiner Tochter reden. Sie soll mir helfen. Es wird schon..."

Die Frage war, ob er das sagte, um Raiko zu beruhigen, oder eher, um sich selbst davon zu überzeugen.
Vorsichtig legte sie ihm von hinten eine Hand auf die Schulter, drückte ihn nur ganz leicht zu sich und strich ihm mit der anderen Hand über den Kopf.
"Ich versuche es, Kleiner. Ich geb mein Bestes, ja?"
Und wenn sie Cain noch so viele Lügen erzählen musste, damit er sich wieder wie ein Lebewesen benahm.
"Es ist aber nicht gut, wenn du alles allein trägst, weißt du", murmelte sie dann, drückte ihn wieder etwas weg und strich ihm das Wasser von den Wangen.
"Ich weiß, dass ich mal gesagt habe, dass du nicht immer zu mir kommen sollst, wenn du irgendwas willst und...vergess das, ja? Das war dumm und egoistisch und es tut mir leid. Egal was ist, ich höre dir immer zu. Und helfen auch, wenn ich es kann."
Verlegenheitspause.
"Das wollte ich dir schon die ganze Zeit über mal sagen, aber irgendwie..."
Hatte sich nie eine Gelegenheit ergeben.

"Danke", hauchte er.
"Danke das du meine Mutter bist."
Er küsste sie zart auf die Lippen.
"Ich muss zu Pan."

Sie grinste leicht.
"Sag das nicht, ich versag auf ganzer Linie."
Doch dann wurde ihre Miene wieder ernst.
"Sicher?", fragte sie.

"Du bist eine gute Mutter, Mama. Du, nciht Elena, auch wenn du nicht an die glaubst."
Er lies sie los.
"Ich liebe dich."

Verdutzt sah sie ihn an, lächelte dann aber wieder.
"Pass auf dich auf, ja?"
Sie sagte nichts zu dem letzten, hoffte aber, dass Rees wusste, dass sie es auch tat. So sehr, wie es ihr eben möglich war.
Aber sagen würde sie das nicht. Diese Worte waren nur für einen bestimmt.

Er drehte sich um und verschwand aus der Tür.
Kurze Zeit später fing das die Stadt der Engel Feuer.