Heruntergekommener Bahnhof

Tat er aber nicht.
"Ich hab nein gesagt."

"Man fragt eine Frau nicht nach ihrem Alter.", bemerkte sie trocken, grinste aber dann.
"Zudem dachte ich, dass wir beim 'du' sind?"
Ihr Blick fiel draußen auf eine Mutter mit zwei kleinen Mädchen an der Hand.
"Naja, die Kleinste war ein ungeplantes Weihnachtsgeschenk."

"Und ich habe gesagt du sollst mich loslassen!", zischte er.
"Du bist nicht mein Vater, also benehm dich auch nicht so!"

"Naja, ich dachte wenn ich dich schon nach deinem Alter frage, hauche ich der ganuen Sache wenigstens etwas Höflichkeit ein."
Er sah nach draußen.
"Ich war mit meiner Frau ganze 37 Jahre verheiratet. Wir sind mit 18 miteinander durchgebrannt."

Uh...Rees...böse...
Abrupt ließ er ihn los und drehte ihm dann den Rücken zu.
Na gut.

"Hmm...", machte sie und trank ihren Kaffee dann aus.
"Vielen Dank für den Kaffee. Ich denke, ich werde jetzt gehen."

Rees stolperte dann mal los und knallte gegen ein paar Wände.
"Kaeru?"

"Bitte bitte."
Er reichte ihr die Hand.
"Viel Glück bei deinem Vorhaben."

Er bekam keine Antwort, der litt vor sich hin.

Sie nahm die Hand und lächelte.
"Danke..."
Dann verließ sie das Cafè und nahm den nächsten Bus zu Yuu.
Umso länger sie es nun noch aufschob, desto schlimmer würde ihre Angst werden.
Also Augen zu und durch.
An der Rezeption fragte sie brav nach, ob ein Besuch erlaubt war.

Rees kam einfach in sein Zimmer.
"Hey, Onii-san? Alles klar bei dir."
Er tastete sich zu seinem Bett vor und setzte sich dann.
"Ich hab was knallen hören..."

"Können sie sich ausweißen?", fragte die Empfangsdame missgelaunt.
"Haben sie Waffen oder spitze Gegenstände bei sich?"

"Raus hier.", knurrte er halbherzig.

Raiko verkniff sich ein Grinsen und zeigte ihr einen Ausweis vor, ebenso wie den Inhalt der kleinen Tasche, die sie bei sich trug und die nun wirklich nichts mehr als einen Schlüssel - den sie wahrscheinlich dalassen musste - einem Handy und einem Geldbeutel enthielt.

Er tastete nach Kaerus Hand und nahm sie in seine.
"Ist es wegen dem Mädchen...Midori?"

"Lassen sie den Schlüssel hier, eben so wie das Händy."
Eine Metalltür ging auf und Raiko bekam einen kleinen Pipser.
"Bei Gefahr drücken, aber keine Angst, jeder Insasse wird von unserem Personal begleitet."
Sie steckte ihren Ausweiß ein.
"Den können sie später wieder abholen. Sie haben 45 Minuten. Herr Sorashi ist gerade in der Halle. Gerade aus, die Doppeltür hinten auf der rechten Seite."

Kaeru knurrte wieder, diesesmal jedoch eindeutig deprimierter.
"Hau ab."

Raiko verkniff sich nur weiterhin ein Grinsen.
Als ob sie Angst haben würde...
Sie folgte der Anweisung der 'netten' Dame und betrat dann leise und vorsichtig besagte Halle.

Rees blieb sitzten.
"Hast du sie so lieb wie ich Cain? Obwohl sie ein Mädchen ist?!, fragte er.

Yuu sah noch an seinem Klavier und spielte Kiss me zum 14 Mal.
Er bemerkte sie nichtmal, so tief war er in das Spiel und das Singen versunken.
Der Pflegter winkte Raiko zu sich.
"Sie sollten vorsichtig sein. Er ist als Gefährlich eingestuft."

"Ja.", war alles, was er sagte.

Sie folgte dem Wink des Pflegers nicht, lehnte sich einfach nur an die Wand und beobachtete Yuu eine Weile lang fasziniert, ehe sie die Augen schloss und den Tönen lauschte.
Sie wollte ihn nicht stören.

"Tut mir leid..."
Er lehnte sich an sie.
"Vielleicht könnt ihr sie ja zunähen und es einfach nochmal machen?", meinte er.
"Ich stör dann auch nicht! Versprochen!"

Einige Minuten später ertönte jedoch eine Schrille Glocke und Yuu zuckte zusammen.
Schnell brach er das Lied ab, ehe ihn die Pfleger auch schon von dem Flugel wegrissen.
"Die Zeit ist um. Zurück aufs Zimmer", meinte der eine barsch.
Yuu sah noch einmal kurz auf den Flügel ehe er sich fügte.
Ein Pfleger neben Raiko setzte sich nun auch in Bewegung.
"Sie können mitkommen."

Er schüttelte langsam den Kopf.
"Sie hat mich verlassen."

Auch Raiko zuckte erschrocken heftigst zusammen und musterte dann mit gerunzelter Stirn die Pfleger.
Konnten die nicht ein bisschen netter sein? Immerhin waren das alles hier auch Lebewesen und kein Abschaum..
Schweigend folgte sie dem Pfleger.

"Verlassen?"
Er zog unter dem Verband die Brauen zusammen.
"Dann geh doch zu ihr hin und sag ihr, dass du sie liebst und nicht willst das sie dich verlässt."

Nein, konnten sie nicht.
Bei der Zelle stießen sie Yuu hinein, der sich aber etwas sträubte.
"Meine Noten...", meinte er.
Er hatte seinen Block auf dem Klavier liegen lassen.
"Rein da!"
Die Tür wurde abgeschlossen.
Yuu seufzte hinter der Tür.
Die Putzfrau würde sie bis Morgen wegwerfen...
Der Pfleger von vorhin kam nun wieder zu Raiko.
"Wenn sie reinwollen, sagen sie einfach bescheid."

"Das ist nicht so einfach wie in deiner Welt.", knurrte Kaeru.

Raiko sah zu dem Pfleger hoch.
"Kann ich erst nochmal kurz zurück in diese Halle da?", fragte sie, gespielt schüchtern mit einem leichten Bettelblick.

"Dann frag ich sie eben...", er zuckte mit den Schultern.
"Ich würde alles für Cain machen. Vielleicht solltest du alles für sie machen."

"Natürlich. Sie dürfen sich hier frei bewegen. Sie haben aber nur noch eine halbe Stunde."

"Lass es.", meinte er müde und war froh, dass Rees gerade nichts sah.
Er war der Ältere. Er heulte nicht.

"Ok, danke."
Sie huschte schnell davon und konnte die Noten geradeso noch vor der Zerstörung retten, bevor sie wieder zurückhuschte und darum bat, zu Yuu zu dürfen.

Rees strich ihm einfach mit dem Daumen über den Handrücken.
"Irgendwas musst du ja machen."

Ihr wurde die Tür aufgeschlossen und mit ihr trat ein Pfleger ein, ehe man die Tür hinter ihr Schloss.
Yuu saß auf seinem Bett und sah überrascht auf, als man seine Tür nochmal öffnete.
"R-Raiko?"

"Ich geh ganz gewiss nicht hin und bettel sie an, nur um ne Abfuhr zu bekommen.", fauchte er.
Da hatte er den Stolz seiner Mutter gehört.

Sie versuchte sich an einem zögerlichen lächeln und hielt ihm seinen Block hin.
"Hier."

"Nein. Du versteckst dich lieber feige in deinem Zimmer und heulst vor dich hin."
Er leckte ihm die salzigen Tränen von der Wange.
Ja, Rees roch sowas.

Überrascht nahm er ihn entgegen.
"Danke."
Er stand auf und legte den Block vorsichtig in den sonst leeren Schrank.

"Halt die Klappe.", knurrte Kaeru, schubste ihn aber nicht weg.
Ja, das mit seinen Augen tat ihm leid. Wirklich leid.

"Den Rest von deinen Noten kann ich dir auch noch bringen, wenn du magst."

Er hatte sie ihm ja nur ausgestochen...halb so wild.
"Erst wenn du deine Freundin wieder hast."

"Ich....ich schreibe zur Zeit an etwas neuem...und ich habe kein Papier mehr..."
Er konnte sich jetzt ja keines mehr in seinen Ausgehstunden kaufen.
"Wenn es dir nichts ausmacht...?"

"Die bekomm ich nicht wieder."

Einen kurzen Augenblick lang schien sie zu strahlen.
Sie konnte morgen wiederkommen und er hatte nichts dagegen!
"Natürlich nicht.", meinte sie und verdrehte die Augen.
"Sonst noch irgendetwas? Ich bring es dir morgen früh vorbei."
Wenn er nur wüsste, wie sehr sie ihn vermisst hatte, wie oft sie versucht hatte aus dem Haus zu kommen, bevor sie mit ihren Selbstmordversuchen angefangen und schlussendlich vollkommen aufgegeben hatte und in eine Scheinwelt untergetaucht war.

"Wenn du hier im Zimmer sitzt natürlich nicht."
Er stand etwas unsicher auf.
"Komm, ich halt dir auch das Händchen."

Yuu sah kurz zu dem Wärter.
"Ich darf nicht so viele persönliche Gegenstände haben."

Er blieb sitzen.
"Nein..."

"Wie gesagt, ich bring dir den neuen Block morgen.", überging sie sein Kommentar einfach, um sich selbst ein wenig abzulenken.

"Dann geh ich eben allein..."
Er tastete sich aus dem Zimmer zur Haustür, wo sien Stock lag.
"Bin bald zurück, Cain."
Damit ging er hinaus.

"Okay..."
Er schrieb es sich in seinen Kalender an der Wand.
"Und ähm Raiko?"
Kurz sah er ihr nochmal in die Augen.
"Kannst du vielleicht unterschreiben, dass ich zwei Stunden am Flügel im Monat bekomm, statt nur eine?"

Cain war beleidigt und Kaeru ließ ihn einfach.
Das würde so oder so nichts bringen.

"Kein Problem."

Stunden später klingelte es an der Tür.
Hatte vorteile blind zu sein.

"Danke."
Er lächelte nun etwas.

Cain machte Rees auf. Kaeru blieb oben und starrte sein zermatschtes Handy an.

"Kein Problem", wiederholte sie sich noch einmal und warf dann einen Blick zu einem der Wächter, der ihr zu verstehen gab, dass ihre Zeit um war.
Sie seufte leise und verschränkte die Arme hinter dem Rücken.
"Bis Morgen."

"Hi Cain."
Der Drache bekam einen Kuss.
"Komm mit."
Er zog Miru nach oben zu Kaeru.
"Kaeru! Schau mal wer mir nach Hause geholfen hat, weil ich mich...verlaufen habe!"
Midori sah zögernd zu Kaeru.
"Dein Bruder ist vor unserer Tür herumgestolpert...ich wusste gar nicht das er blind ist..."

"Bis Morgen...Raiko."
Er setzte sich wieder und die Tür wurde geöffnet.