Heruntergekommener Bahnhof

Raiko reagierte äußerlich auf ihre offensichtliche Feindseligkeit gelassen.
Innerlich zog sie jedoch schon den Kopf ein.
Fickobjekt...ja, eine durchaus passende Bezeichnung.
Fast - ja, wirklich nur fast - hätte sie gelächelt.
"Denke ich nicht, Sei. Keine Angst.", erwiderte sie, den Blick nach vorn gerichtet und verkniff sich ein Seufzen.
"Kleiner Tipp, ja? Du kannst es nicht schützen und ich denke nicht, dass Yuu dazu bereit ist es am Leben zu lassen. Und bei Cade hast du es dir ja versaut. Vielleicht solltest du vorsichtiger mit der Wahl deiner Feinde sein."

"Wenn mein Vater ihm etwas antun will, bring ich ihn um! Das schwör ich dir! Und wenn ich mir zum Feind mache, entscheide ich! Ich brauche weder Cade noch meinen Vater! Ich schaffe das auch ganz gut allein!"
Sie legte die Arme um ihren nun prallen Bauch.

Raiko lächelte nun wirklich.
"Natürlich."
Würdest du nicht, Sei.

Nein, aber was sollte sie tun?
Zu Cade zurück gehen und betteln?
Würde eh nicht klappen. Genau so wenig wie ihren Vater von dem Baby zu überzeugen.

Sie könnte sich neue Verbündete suchen.
Das war es, was Raiko ihr damit hatte sagen wollen.
Sie meinte damit nicht unbedingt sich selbst, es war nur ein Rat gewesen.
Wenn sie sich nur entschuldigen würde - aus tiefstem Herzen - würde er ihr verzeihen.
Aber das würde sie nicht tun...dazu war sie zu jung.
Raiko wandte sich nun ihrem Sohn zu, der neugierig den Blick durch die Gegend wandern ließ.

Nein würde sie nicht.
Ihr Vater hatte ihr sowieso verboten zu ihm zu gehen.
Leider...
Aber sie beobachtete ihn dafür immer heimlich.
Und zum verbünden...ja da hatte sie hier niemand. Und Sayo...Sayo war zu weit weg.

Als ob Sei oft tat, was Yuu von ihr wollte.
Raiko warf jedoch nun einen Blick über die Schulter.
"Willst du rein? Es ist kühl hier."
Sie könnte sich erkälten. Nicht gut für das Baby.

Wirklich nicht.
Sei sagte einfach nichts und ging hinein.
Nicht das Raiko noch auf die Idee kam sie würde sie mögen! Bah!
Sie sah ihrer Mutter nichtmal ähnlich!
Sei meldete sich an und ab hings in die Frauenabteilung.
Ultraschall...
Yuu war immer noch nicht da.

Was Raiko ehrlich gesagt langsam Sorgen bereitete.
Für Yuu passte sie auch artig auf Sei auf, hielt sich aber so gut es ging zurück.
Deine Mutter wollte sie dir auf keinen Fall ersetzen.
Sie fand es schön, dass sie die Ihre so sehr liebte.
Das nicht einmal einjährige Kind auf ihrem Arm schien das aber anders zu sehen und streckte ständig die Arme nach Sei aus.

Die damit überfordert war.
Ja, wenn erstmal das Kleine auf der Welt war, würde sie vermutlich zusammenbrechen.
Und dann würde Yuu das...erledigen...
Der kam jetzt grinsend um die Ecke.
"Naaaa?"

Raiko ließ ihn auch an Sei herumzupfen.
Zumindest solange, bis die sich der Berührung entziehen würde.
Zwar würde sie ihr den Jungen auch geben, aber sie war sich nicht sicher, wie die junge Mutter darauf reagieren würde.
Und sicher war sicher.
Yuu erntete von Raiko jedoch nur einen finsteren Blick.

Er lächelte nun zurück.
"Bist du fertig?"
"Nein...muss noch in das eine Zimmer da...", meinte Sei nun eher Kleinlaut.
"Gut."
Yuu setzte sich hin.

Kleinlaut...
Sofort tat die Kleine ihr leid.
Raiko blieb, wo sie war. Schwieg.

Sie musste Raiko nicht leid tun.
Immerhin war sie selbst für das verantwortlich, was ihr passierte.
Nun ging es aber schon zur Ärztin.
Als sie heraus kam hatte sie ein paar Schwarz-weiß Bilder in der Hand und schon sie schnell in ihre Tasche.
Yuu stand auch gleich auf als er sie sah.
"Und?"
"Sie meint wir sehen uns in den nächsten Tagen wieder...es hat sich schon gedreht."
Yuu murrte.
"Na toll..."
Das konnte er jetzt echt nicht auch noch brauchen!
"Und? Was wirds?"
"Ich wollte es nicht wissen."
"Was wieso?!"
"Papa, lass mich einfach in Ruhe, ja?!"
"Tze."
Yuu ließ sich zurück fallen und ging zu Raiko, während Sei schon zum Auto ging.
"Nerviges Kind. Kommst du?"

Genauso wie vorher auch folgte die Schwarzhaarige ihm schweigend.
Er sollte etwas netter zu seiner Tochter sein...das würde ihm nicht weh tun.
Und Sei vielleicht sogar ganz gut.

Sei wollte erstmal heim.
Dort verpisste sie sich auch ganz schnell bevor ihr Vater nochmal das Wort an sie hätte richten können.
Cade beobachten.
Sie saß meist Stundenlang vor seinem Fenster und sah herein, wenn er mal wieder an seinen Schreibtisch saß.

Nur war Cade in seinem Labor.
Und das war unterirdisch...hatte keine Fenster.
Tja, Sei. Hättest du es nicht zerstört...
Raiko holte sich sofort bei Momoko Ai ab und nahm Sasu auch direkt mit.
Ai hatte nämlich einen neuen Teddybär.
Natürlich nicht besser, als der Papabär, aber ein Ersatz!

Setzte sie sich eben vor die Tür und bildete sich ein, sie könnte ihn belauschen.
Wenigstens etwas.
Sasu ging etwas widerwilig mit der Fremden mit, aber er war nicht das Typ Kind, das hätte nein sagen können.

Ach Sei...entschuldige dich doch einfach.
So schwer war das nicht.

Raiko hielt auch Abstand von dem Jungen, wollte ihn nicht verunsichern.
Ai zerrte ihn jedoch an der Hand mit sich.
Sie musste unbedingt Papa sagen, dass er ihr ein paar Ge.....Ge...Gebäre beibringen sollte!

Das konnte sie nicht...
Sie schrieb ihm einfach einen Brief! Jawohl!
Also machte sie sich auch gleich daran.

Der Junge verzog das Gesicht.
Das Mädchen war anstrengend...ganz anders als seine Schwestern!

Wenn er den denn lesen würde...

Das war sie, Sasu.
Aber das war nicht ihre Schuld.
Sie flog nun einmal auf alles, was männlich war.
Und so platzte sie auch breit grinsend mit Sasu im Schlepptau in die Wohnung.
"Papa! Papa! Papa!"

Wenn sie sich trauen würde ihm den Brief zu geben.
Sobald er nämlich geschrieben war, stand sie missmutig vor der Labortür.
Was sollte sie nur tun!?
Sie schluckte eines der Bonbons. So wie eigentlich jede viertel Stunde.

"Ja?", kam es verwundert.

Ach, sie schaffte das schon!
SIe war ja immerhin keine fünf mehr.

"Du musst mir Gebären beibringen!"

Ja...hehe...
Ganz ganz leises Klopfen.
"H...H-Hallo?"

Yuu lachte.
"Klar Schätzchen..."
Er nahm sie samt Sasu auf den Schoß.
"Welche willst du den wissen?"

Keine Antwort.

"Alles!", strahlte sie ihn an.

Sie öffnete vorsichtig die Tür.
"C-Cade?"

"Alles geht nicht auf einmal", erklärte er.
"Such dir ersteinmal ein paar Wörter aus."

Knurren rollte ihr entgegen.

"Hm...Hallo, Papa und Mama!"

"Kann ich kurz mit dir reden?"
Keine Sorge, Cade, sie wagte es nicht in das Labor zu kommen.

Yuu nickte und zeigte ihr die entsprechende Bewegung.
"Man spricht nicht wie bei uns in ganzen Sätzen, sondern nimmt einfach ein paar wichtige Wörte, die man dann darstellt. Hier z.B. Hallo, das Zeichen für Vater und für Mutter. Das "und" brauchst du gar nicht."

War auch besser so.
"Was willst du!?"

Ai schien begeistert.
"Das ist viel cooler, als bei uns!"
Dann wurde sie jedoch von Raiko an die Hand genommen und mit leisen Worten von Yuu weggezogen.
Eigentlich hauptsächlich deshalb, damit Ai Yuu einmal in Ruhe ließ und Sasu seinen Vater mal für sich hatte.

"Reden...", meinte sie leise.
"Einfach reden..."

Der kuschelte sich auch sofort an seinen Vater.
Die machten ihm alle Angst...